Anna Vinnitskaya

Artist in Residence 23.24

Ganz besonders begrüßen wir unsere Artist in Residence Anna Vinnitskaya für die anstehende Saison.

Anna Vinnitskaya beeindruckt durch höchste Virtuosität und poetische Tiefe. Ihre technische Brillianz ist dabei nie Selbstzweck, sondern stets Mittel zum Ausdruck ihres Spiels, das sich durch Gestaltungskraft, klangliche Hingabe und Energie auszeichnet. Der 1. Preis beim Concours Reine Elisabeth in Brüssel 2007 markierte für die Pianistin den internationalen Durchbruch. Sie ist heute geschätzte Partnerin vieler bedeutender Orchester weltweit – darunter die Berliner Philharmoniker oder das Orchestre Philharmonique de Radio France – und führender Dirigent*innen wie Andris Nelsons, Krzysztof Urbanski, Dmitri Kitajenko, Alan Gilbert, Kirill Petrenko und Mirga Grazinyté-Tyla.

Geboren im russischen Novorossijsk, studierte sie bei Sergei Ossipienko in Rostow sowie Evgeni Koroliov an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg, an der sie 2009, mit nur 26 Jahren, selbst zur Professorin ernannt wurde.
Mehr Informationen zu unserer Artist in Residence finden Sie auf ihrer Website.

Konzerte mit Anna Vinnitskaya

Orchesterkonzert

Aufbruch

Samstag
02.09.2023
19.30 Uhr
Kammerkonzert

Brillanz

Sonntag
03.03.2024
18.00 Uhr

KAPmeets Artist in Residence Anna Vinnitskaya

Samstag
29.06.2024
20.00 Uhr

Interview

Anna Vinnitskaya im Gespräch mit Dramaturgin Adriana Kussmaul

…gleich zu Beginn: Deine Eltern waren beide Pianist*innen, dein Großvater Dirigent. War für dich schon immer klar, dass du auch Musikerin oder sogar Pianistin werden möchtest?

Ja, diese Frage habe ich mir als Kind eigentlich nie gestellt. Für mich war es ganz natürlich und selbstverständlich, Klavier zu spielen, da bei uns zu Hause ein Flügel stand. Zu meinem sechsten Geburtstag hat mein Großvater mir dann sogar ein eigenes Instrument geschenkt – einen Flügel, der damals populären Marke „Roter Oktober“. Ab diesem Zeitpunkt standen in unserer Dreizimmerwohnung, die etwa 45 qm hatte, zwei Flügel – man kam also nicht drumherum, sich intensiv mit ihnen zu beschäftigen. Auf beiden Instrumenten habe ich immer gerne gespielt, allerdings nicht geübt (lacht). Das mit dem Üben war so eine Sache: Ich hatte einfach keine Lust, stundenlang alleine in meinem Zimmer Tonleitern und Etüden zu spielen, sondern wollte lieber direkt auf die Bühne. Irgendwann habe ich zum Glück verstanden, dass das Eine ohne das Andere nicht funktioniert und dass viel Üben einfach dazugehört, wenn ich entsprechendes Repertoire spielen möchte. Inzwischen empfinde ich das Üben irgendwie als eine Art Entspannung in stressigen Alltag – alle lassen dich in Ruhe, du kannst experimentieren, etwas entdecken, genießen und einfach Zeit mit der Musik verbringen.

 

Wir freuen uns sehr, dich als Artist in Residence in der Saison 23.24 begrüßen zu dürfen, zumal du und die KAP schon lange musikalisch miteinander verbunden seid. Wie waren die Eindrücke, als du das erste Mal mit der KAP zusammengespielt hast?

Mein erstes Projekt mit euch war 2018 – Bach-Klavierkonzerte mit meine Lehrer Evgeni Kroloiov und Ljupka Hadzigeorgieva. Ich hatte zuvor viel Gutes über die KAP gehört und wir waren alle ein bisschen aufgeregt, wie die erste Zusammenarbeit sein wird, auch weil es zusätzlich eine CD-Aufnahme gab. Was mich generell beeindruckt hat, als ich nach Deutschland kam, war dieses „häusliche“ Musizieren, das in Russland noch ganz unpopulär ist. Man trifft sich hauptsächlich, um zusammen zu musizieren, der Musik willen und nicht nur wegen Ruhm und Geld. Und genau das habe ich bei euch angetroffen: eine familiäre, vertraute und kammermusikalisch denkende Gruppe, die wirklich zusammen Musik machen will, die für das Miteinander steht, da jede*r das Beste möchte, tolle Ideen hat und diese auch kommunizieren darf.

 

Dein Repertoire reicht von Johann Sebastian Bach bis Sofia Gubaidulina. Welche Musik spielst du (momentan) am liebsten, am häufigsten?

Ich liebe Impressionismus, zum Beispiel Maurice Ravel. Aber auch die großen Romantiker Johannes Brahms und Robert Schumann sind wunderbar. Generell ist mir Rachmaninows Musik sehr nahe, da fühle ich mich besonders wohl und deshalb wollte ich sein Erstes Klavierkonzert auch zum Auftakt meiner Residenz bei euch spielen.

 

In einem anderen Interview hast einmal gesagt, dass Rachmaninows Musik unterschätzt wird. In welcher Hinsicht?

Ich finde, Rachmaninows Musik wird aufgrund falscher Interpretationen oft missverstanden. Es gibt Aufnahmen, auf denen er selbst spielt, und dann klingt seine Musik so präzise, ernsthaft und klassisch, gar nicht schnulzig oder sentimental, gar nicht nach dem Hollywood-Komponisten, auf den er oft reduziert wird. Das Erste Klavierkonzert unterschiedet sich zudem von seinen anderen Werken: Es erinnert mich sehr an die Klavierkonzerte von Mendelssohn oder Grieg, an die romantische Epoche. Rachmaninow ist hier nicht immer zu erkennen, er scheint noch auf der Suche nach seinem Stil zu sein. Dennoch finde ich dieses Konzert mit den witzigen Scherzo-Details im Finale oder dem Wiegenlied-artigen Gestus im zweiten Satz so wunderschön, so frisch und zu Unrecht viel zu selten gespielt.

 

Auch die Musik von Mieczyslaw Weinberg und Dmitri Schostakowitsch steht im Mittelpunkt deiner Residenz bei uns. Was verbindest du mit diesen beiden Komponisten?

Weinberg habe ich erst vor Kurzem wirklich entdeckt, auch durch die wunderbaren Interpretationen von Gidon Kremer. Bei Weinberg hört man, was er alles erlebt haben musste, das Leid, das er in seiner Musik spiegelt, so auch in seinem Klavierquintett. Ich bin tief berührt von seinen Werken, da sie heutzutage wieder so erschreckend aktuell sind – das Kriegsgefühl, das Angstgefühl. Schostakowitsch begleitet mich hingegen schon seit meiner Kindheit. Die Klavierpräludien habe ich als Kind geliebt und mit seinem Zweiten Klavierkonzert gewann ich im Jahre 1996 meinen ersten großen Wettbewerb in Moskau – mit Schostakowitschs Musik bin ich also aufgewachsen.

 

Zum Abschluss deiner Residenz wirst du die beiden Klavierkonzerte von Dmitri Schostakowitsch vom Klavier aus leiten, es wird in diesem Konzert also keine*n Dirigent*in geben. Was ist für dich das Besondere daran und wie verändert sich damit vielleicht auch die Art des gemeinsamen Musizierens?

Ich habe schon einige Solokonzerte ohne Dirigent*in gespielt, vor allem Bach, Mozart und Schostakowitsch. Generell denke ich, dass es bei manchen Werken und vor allem bei guten Orchestern ein Vorteil sein kann, ohne Dirigent*in zu spielen, da die Musiker*innen im Orchester dadurch mehr beteiligt werden und sich das gemeinsame Musizieren wie eine große Kammermusik anfühlt. Die Rollen zwischen Solistin und Orchester sind dann fließender, die Mauern verschwinden, alle bilden eine Einheit und verschmelzen zu einem homogenen Gesamtklang.

Die Artists in Residence der KAP

Seit 2015 laden wir für jede Saison einen ganz besonderen Gast zu uns ein: den "Artist in Residence", mit dem wir im Verlauf der Saison verschiedene musikalische Projekte durchführen. Gern probieren wir dabei neue Formate aus oder suchen gemeinsam andere Formen der künstlerischen Inspiration und Weiterentwicklung.

Die Idee, für jede Saison mit einem „Artist in Residence“ zusammenzuarbeiten, entstand aus dem Anliegen, dem Orchester vertiefte künstlerische Begegnungen mit ausgewählten Gästen zu ermöglichen. Unser jeweiliger „Artist in Residence“ kommt im Verlauf einer Saison für verschiedene Projekte und Programme nach Potsdam. Die Auswahl der Kandidat*innen geschieht gemeinsam mit dem Orchester, dem künstlerischen Leiter und der Geschäftsführung. Besonderen Wert legen wir dabei auf Repertoire-Breite, verschiedene künstlerische Facetten, auch einen Wechsel in den Instrumental-Farben, Interesse an Kammermusik und neuen Formaten.

So konnten wir seit der Saison 15.16 so herausragende Künstler wie Veronika Eberle, Kristian Bezuidenhout, Andreas Ottensamer, Steven Isserlis, Jörg Widmann oder Anna Prohaska gewinnen. Bei aller Unterschiedlichkeit ist allen eine große Neugier auf Begegnung gemein, der künstlerische Austausch, die gegenseitige Inspiration, die Lust an Kommunikation. Häufig kann man förmlich spüren, wie sich im Orchester die Energie bei jeder einzelnen Musikerin und jedem Musiker verändert und dadurch wieder neue Ideen und Vorhaben entstehen.

 

Unsere Artists in Residence

Saison 15.16: Kristian Bezuidenhout
Kristian Bezuidenhout, Foto: Marco Borggreve
Kristian Bezuidenhout, Foto: Marco Borggreve

 

 

 

 

 

 

Saison 16.17: Veronika Eberle
Veronica Eberle, Foto:
Veronica Eberle, Foto:
Saison 17.18: Andreas Ottensamer
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Andreas Ottensamer, Foto: Katja Ruge

 

Saison 18.19: Steven Isserlis
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Steven Isserlis, Foto: Satoshi Aoyagi

 

Saison 19.20: Antoine Tamestit
Antoine Tamestit
Antoine Tamestit, Foto: Julien Mignot

 

Saison 20.21: Jörg Widmann
Jörg Widmann, Foto: Marco Borggreve

 

 

Saison 21.22: Anna Prohaska
Anna Prohaska, Foto: Marco Borggreve
Saison 22.23: Václav Luks

Václav Luks, Foto: Petra Hajsk